Der Anreiz, in absehbarer Zeit keinen Corona-Impfstoff zu bekommen, wirkt offenbar Wunder. „Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Hätte die alte Weisheit noch eines Beweises bedurft, dieser scheint nunmehr erbracht. Kaum werden im Jänner erste Lieferengpässe berichtet und erste Vordrängler an den Pranger gestellt, schnellt die Impfbereitschaft der Österreicher in die Höhe.
Am 15. Jänner werden die Lieferschwierigkeiten von Biontech/Pfizer bekannt. Eine Woche später, am 22. Jänner, dann die Lieferprobleme von AstraZeneca – mit Krisen-Auftritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober in der ZIB-2 am selben Abend. Um den 20. Jänner herum werden auch die ersten „Impfvordrängler“ breit kolportiert. Der Neid auf die Bürgermeister ist geweckt, die Hoffnung der Regierung auf eine rasche Durchimpfung der österreichischen Bevölkerung zerschlagen.
Eine Woche darauf, am 28. Jänner berichtet dann Die Presse über die jüngste Corona-Umfrage des Gallup-Instituts, welche vom 21. – 25. Jänner durchgeführt worden war: Die Impfbereitschaft der Österreicher sei zwischen Anfang Dezember 2020 und Ende Jänner 2021 von 49 % auf nunmehr 61 % gestiegen.
Impfbereitschaft steigt nicht, sie schnellt in die Höhe
Doch die Zahlen der aktuellen Gallup-Umfrage geben weit mehr her als einen immerhin respektablen Anstieg der Imfbereitschaft um 25 %. Vor allem wenn man sie mit den eher konstanten Ergebnissen einer ganzen Reihe von Gallup-Umfragen im Vorjahr vergleicht (siehe Politeia-Diagramm oben).
Tatsächlich ist die Impfbereitschaft zwischen Anfang Dezember und Ende Jänner nicht nur gestiegen. Sie ist geradezu in die Höhe geschnellt:
- Die aggregierte Impfbereitschaft (der entschlossenen Ja-Sager und zögerlichen Eher-ja-Sager zusammen) beträgt im Jänner nicht 61 %, sondern 62 %. Denn zusätzlich hat 1 % der Befragten angegeben, bereits geimpft zu sein. Auch wenn das kaum ins Gewicht fallen mag.
- Markant hingegen ist folgende Entwicklung: Gerade der Prozentsatz der fest entschlossenen Ja-Sager ist zwischen Dezember und Jänner massiv gestiegen: von 22 % auf 40 %. Der „harte Kern“ der Impfwilligen ist um ganze 82 % gewachsen und hat sich damit fast verdoppelt. Von Oktober und Dezember hatte deren Zahl stets zwischen 20 % und 25 % geschwankt.
- Mehr noch: Diese 40 % sind nicht nur fest entschlossen, sich impfen zu lassen, sie sind es auch bedingungslos. Von Oktober bis Dezember hatte die Gallup-Frage noch gelautet: Würden Sie sich impfen lassen, wenn der Wirkstoff „wirksam und sicher“ ist? Im Jänner nur mehr: Würden Sie sich impfen lassen? Ein bedingtes Ja mit offenem Hintertürchen war im Jänner also nicht mehr möglich. Und trotzdem wurde die Ja-Hürde von immerhin 40 % übersprungen!
Was aber hat den recht erstaunlichen Sprung in der Impfbereitschaft verursacht? Besteht mit dem Bekanntwerden von Lieferengpässen und Impfvordränglern mehr als nur ein zeitlicher Zusammenhang? Darüber sagt die Gallup-Umfrage nichts aus. Motive waren nicht Gegenstand der Untersuchung. Die Pressemitteilung des Instituts geht über ein Herumstochern im Nebel der Multikausalität nicht hinaus.
Muss ich oder darf ich impfen?
Wie heißt es so schön? „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“ Getreu diesem Motto schieben wir jetzt alle Bedenken beiseite und mutmaßen frischfröhlich:
Die im Jänner bekannt gewordenen Lieferschwierigkeiten haben – sekundiert von weitsichtigen Bürgermeistern, die bereit waren, ihre Reputation dem Gemeinwohl zu opfern – die Corona-Erzählung um 180 Grad gewendet. Die Gretchenfrage lautet nicht mehr, ob ich impfen muss, sondern ob ich impfen darf. Wer anders herum fragt, verfehlt seit Jänner das Thema.
Was nichts kostet, ist nichts wert. Was jeder haben kann detto. Einen Impfstoff, der leicht zu haben ist, will hierzulande niemand. Quod erat demonstrandum.
Bildquellen
- Impfbereitschaft: ©Politeia, Quelle: gallup.at